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Der Musikgeschmack – eine Geschichte voller Missverständnisse (und Theorien)

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Neulich war ich alleine auf einem Konzert – dem von Grizzly Bear. An sich finde ich das nicht (mehr) schlimm, jedoch habe ich mich gefragt: Wie findet man eigentlich Freunde und Bekannte, die denselben Musikgeschmack haben? Und wie entwickelt man eigentlich seinen “Taste in Music”?

Das Gedankenkarussell kam nicht mal dadurch zustande, dass ich mich einsam gefühlt hätte. Nein, es war vielmehr die Verwunderung darüber, so viele Menschen auf einem Konzert einer Band zu sehen, bei der die Mehrheit meiner Freunde und Bekannten grosse Fragezeichen in den Augen haben. Da wollte ich am liebsten fragen: Wo kommt ihr alle her?! Wo seid ihr sonst in meinem täglichen Leben?? Versteckt ihr euch in Höhlen? Nicht, dass ich niemanden kennen würde, welcher mich zu Konzerten begleitet und zumindest ähnliches hört. Doch habe ich bisher selten Menschen kennengelernt, welche exakt dieselbe Leidenschaft zur Musik haben wie ich. Oder zumindest erst spät in meinem Leben.

Während ich also auf den Beginn des Konzertes wartete, ging mir folgendes durch den Kopf: Wie bin ich eigentlich zu meinem Musikgeschmack gekommen? Wie bildet sich der Hang zu Rock, Pop oder Schlager? Eben, gute Frage! Bei meiner Recherche bin ich auf zahlreiche Artikel gestossen, welche der Theorie ebenfalls auf den Grund gegangen sind.

Aus meiner Sicht verlief die Entwicklung eher ungewöhnlich: Musik fing für mich zwar erst in der Grundschule interessant zu werden. Aber wie ich gelesen habe, fängt genau hier bereits die Prägung an: Laut eines Forschers sind Kinder viel offener gegenüber unkonventioneller Musik. Je später man an ungewöhnlichere Klänge herangeführt wird, umso grösser die Wahrscheinlichkeit, es nicht zu mögen (Quelle: Wie Musikgeschmack entsteht). Puh, da hab ich aber nochmal die Kurve gekriegt, den anfangs war auch ich noch vom Mainstream beeinflusst: New Kids On The Block war meine erste Boyband-Liebe… Relativ schnell habe ich mich gesteigert: Hin zu Ace of Base und Depeche Mode, Snap, Genesis… Spannend wurde es so richtig, als ich mit 14 Jahren die Welt des Rock entdeckte (zumindest für mich, für meine Eltern weniger). Soundgarden (Musiktipp: *Boot Camp*) waren DIE Band der ersten Stunde, welche eine regelrechte Leidenschaft in mir entfacht haben! Und es waren die ersten Songtexte, mit denen ich mich identifiziert habe.

Prägend für den Musikgeschmack: Epoche & Peer-Groups

Doch bis dato hat wirklich niemand meiner Freundinnen dasselbe gehört. Egal in welcher “Epoche” meiner Musikgeschmack-Entwicklung. Dabei meint ein Musikwissenschaftler sogar, dass zu den Einflüssen auch gehören würde, zu einer bestimmten Gruppe dazugehören  zu wollen, eben die berühmte Peer-Group: Artikel: Was sagt unser Musikgeschmack über uns aus? Nun, ich könnte mir das höchstens so erklären, dass ich schon immer ein kleiner “Individualist” war. Meine Freunde habe ich mir nach meinen Kriterien ausgesucht. Beziehungsweise, ich wäre nie auf die Idee gekommen, meinen Musikgeschmack für andere aufzugeben oder mich anzupassen! Oder sagt man auch stur? Hm, lassen wir mal so stehen.

In meiner jugendlichen Naivität glaubte ich, man hört einfach das, was einem gefällt. So hatte ich es bis dato nämlich getan. Unabhängig von meinem Umfeld. Doch als ich damals eine Freundin von Soundgarden  begeistern wollte, hiess es nur: “Solche Musik höre ich nicht”. Was heisst hier “solche”? Dachte ich zunächst. Da verstand ich, was sich mir später immer bestätigt hat: Viele hören gar nicht, was ihnen persönlich gefällt. Sondern was gerade so “angesagt” ist. Ab da wurde mir immer wieder klar, dass die Menschen (auch) hier in Schubladen denken.

Was war zuerst da – Deine Musik oder Deine Freunde?

Auch wenn ich eine starke Tendenz zu bestimmten Stilen wie Rock, Metal oder Elektro habe – generell ging es mir immer schlicht um gute Musik. Mit Gefühl, Anspruch und Tiefgang. So würde ich  meinen jetzigen Musikgeschmack beschreiben. Ich suche tendenziell etwas besonderes, das mich aber auch in meinem Herzen berührt. Oder aber meine Ansprüche herausfordert. Oder mich einfach beschwingt und leicht fühlen lässt – und sei es ein schöner Popsong. Interessant hierbei: Die Wissenschaft hat offenbar zwei Typen definiert: Die Empathiser vs. die Systemisers. Erstere erspüren Gefühle aus Musik, lieben entspannte Klänge – die Systemiser hingegen denken eher rational und hören deshalb lieber anspruchsvolleres, gut komponierte Stücke. Fällt euch was auf? Genau: zumindest ich bin beides. Man könnte auch sagen, ich bin eher ein “Allesfresser”, welche der Soziologe Oliver Berli untersucht hat: Jemand, der sich nicht auf eine Musikrichtung nicht festlegen möchte, weder auf das Genre, noch auf die Zeit. Hallo, DAS bin ja ich! (Artikel: Wie entsteht Musikgeschmack?)

Hörst du schon Musik oder suchst du noch die passenden Buddies?

Nochmal kurz zurück zum Konzert: Ich frage mich wirklich, wie sich all die Menschen hier gefunden haben. Also jene, die sich kennen. Denn es handelte sich wirklich nicht um Einheitsbrei-Musik. Irgendwann muss ich da den Anschluss verpasst haben. Glücklicherweise sind in den letzten 20 Jahren doch einige Medien entstanden, über welche ich neue Musik kennenlernen durfte. Ich wurde beispielsweise zum MTV-Junkie, habe “Greatest Hits” und “Musicnonstop” (hehehe…) sooft geschaut, wie ich nur konnte. Und habe somit noch Perlen wie Peter Gabriel, Genesis oder David Bowie kennengelernt. All die (guten!) Hits der Achtziger Jahre, der Neunziger natürlich auch – wobei ich die dann schon aufmerksamer miterleben konnte.  Ich wurde langsam zum Musikexperten, ohne mich mit jemandem darüber austauschen zu können.

Doch wie findet man Gleichgesinnte? In einem Zeitalter ohne Internet und Social Media? Eben. Gefangen in einer Kleinstadt, einer dem Mainstream unterworfenen Schulklasse… Ich hätte mich gerne einer Gruppe angeschlossen, die Rock oder Alternative gehört hat. Doch die gab es schlicht nicht. Meine Familie war zwar musikinteressiert, aber eher in die einfachen Sachen. Hm.

Ich höre Musik, also bin ich?

In der Oberstufe habe ich diverse Grüppchen kennengelernt, welche auf Metal und Rock standen. Doch oftmals kannten die sich schon lange und so gut, dass ich da auch nicht mehr “reinkam”. Und letztlich waren diese in ihrer “Nische” gefangen: Etwas anderes als Hardrock kam  nicht infrage. Was mir eben genauso wenig entsprach. Schlussendlich bin ich weiterhin meinem Herzen und “meiner” Musik gefolgt. Habe sogar auf meinem Lebensweg ein paar Gleichgesinnte in puncto Musik kennengelernt. Doch die sind aus anderen Gründen aus meinem Leben verschwunden. Somit ist die Musik wieder einmal das einzige, was geblieben ist.

Fazit: Unterschreiben kann ich folgendes Zitat: “Wir suchen nach Musik, die die Person, die wir sind, reflektiert und die Art wie wir denken und unser Gehirn tickt, widerspiegelt” (Artikel: Cambridge-Studie belegt: Charakter und Musikgeschmack gehen einher). Demzufolge ist man ja dann ein recht komplexer Charakter, oder? Das erklärt auf jeden Fall meine “Schubladen-Schwierigkeiten”: Den die Schublade existiert einfach nicht. Aber ich suche weiter – und gebe die Hoffnung nicht auf, Gleichgesinnte zu finden. Deshalb ein Aufruf an alle, die das lesen: Tauscht euch mit mir aus – denn auch aus diesem Grund führe ich diesen Musikblog. Nicht nur für mich, sondern auch für Euch – um sich neue Musik zu empfehlen, zu diskutieren, schlicht voneinander zu profitieren! Ich weiss, ihr seid da draussen – und irgendwann erreiche ich euch auch 🙂

Anbei ein Song von Genesis, welchen ich genau in meiner prägenden Zeit gehört & das Video gesehen habe. “Land of Confusion” ist zwar 1986 erschienen, MTV & Greatest Hits sei Dank in den Neunzigern kennenlernen durfte. Ein politischer Song, für die Prog-Pop-Rocker doch recht ungewöhnlich. Jedenfalls vereinen die Genesis der Achtziger  Rock-, Pop- und Elektro-Sounds – alle Stile, welche ich heute bevorzuge. Nämlich.

Bild: Shutterstock Bearbeitung: bibismusicnonstop

Genesis – *Land Of Confusion*

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