Maynard, bist du es wirklich?
Dass A Perfect Circle 2018 ein neues Album heraus bringen, war ja schon für sich eine sensationelle Info. Sie gehen sogar noch auf Tour, sogar in Europa – das konnte ich nun wirklich nicht fassen! In Zürich wurde die surreale Vorstellung nun doch wahr.
Aber, und das ist jetzt nicht nur ein Wortspiel, das Konzert in der Halle 622 war letztlich doch surreal. Was auch an der Performance von Maynard James Keenan lag, doch wundern tut es wahrscheinlich niemanden in dieser Halle. Ganz sicher nicht die Horden von Tool-Shirts tragenden Männern (nein, Frauen habe ich tatsächlich nicht damit gesehen), doch das nur so nebenbei. Im Vorfeld wurde bereits kommuniziert, dass jegliche Aufnahmen mit dem Smartphone verboten sind. Wer das auf dem Konzertticket völlig übersehen hatte, wurde geschätzte 10 Mal per Lautsprecher-Bandansage daran erinnert… Aber ja nu, Maynard halt. Auf meinem ersten und bisher letzten Tool-Konzert war Rauchen strengstens verboten – zu einer Zeit, in der es offiziell noch erlaubt gewesen wäre.
Eine durchwachsene Setlist ohne grosse Überraschungen
Die Erwartungen an diesen Abend waren zumindest meinerseits sehr hoch. Beziehungsweise, ich habe mir selbst verboten, nach der Setlist zu googeln. Das war auch gut so… In der Hinsicht war ich ein klein wenig enttäuscht, wenn auch nicht überrascht. Der Fokus lag eindeutig auf dem neuen Album, was per se ja nicht verkehrt ist. Die ersten beiden Alben mit dem grössten Erfolg, *Mer de Noms* und *Thirteenth Step*, wurden zwar auch berücksichtigt. Tatsächlich liegt die Betonung auf der Berücksichtigung… Zwar war immerhin *Weak and Powerless* und *The Hollow* dabei, sowie auch *3 Libras* und *The Outsider*. Alles ganz sicher keine schlechten Songs – aber die wahren Kultsongs wie *Judith*, *Magdalena* oder *Blue* wurden leider ausgelassen. Warum, wieso, weshalb – erfahren werden wir es vermutlich nie…
Wer ist der Typ da auf dem Podest?
Für mich persönlich der Knaller ist auf jeden Fall auch *So long, and thanks for all the fish* vom aktuellen Album *Eat the elephant*. Wie der Kenner weiss, handelt es sich hier um einen 1 a-Popsong – aber nur oberflächlich gesehen. Wie ich in meiner Album-Rezension bereits bemerkt habe, ist der Text doch sehr bissig und gesellschaftskritisch. Das poppige Gewand dient da wirklich nur als Tarnung. Wo wir grad beim nächsten Thema des Abends wären: Die Bühnenshow. Ja, was die Licht-Effekte betrifft, haben sie sich nicht lumpen lassen. Jedes Album wurde offenbar mit einer eigenen Farbe bedacht. Der Schlagzeuger Jeff Friedl sowie Maynard standen jeweils auf einem runden Podest, welche auch mit Leinwänden bestückt waren. Man könnte meinen, so entgeht keinem Zuschauer etwas. Doch weit gefehlt… Es wird alles mögliche be- und ausgeleuchtet, nur nicht Maynards Gesicht. Selbst seine Langhaar-Perücke ist nur schemenhaft zu erkennen. Immerhin trägt er einen roten Anzug, haha… Aber eben, auch hier: typisch Maynard.
Eine zu perfekte Performance
Das Fazit des Abends: Ja, es war eine perfekte Show. Zwischendurch konnte man Maynard sogar beinahe schon tänzeln sehen (ohne sein Gesicht, wohlgemerkt – Chapeau an den Beleuchtungs-Techniker). Und wie ich eingangs bereits gesagt habe, das Ganze war irgendwie surreal. Die Helden meiner und vieler anderer in der Halle standen auf der Bühne! Zwar nicht in der Urbesetzung, aber die hat ja schon früh gewechselt. Doch die Show macht die Band auch unnahbar: Sie schwebten scheinbar über dem Publikum. Distanziert wäre übertrieben, aber eine wirklich enge Verbindung zum Publikum fehlt. Da muss ich doch mal kurz meine Meinung einstreuen – hätte man einen Klassiker wie *Judith* gespielt, die Leute wären ausgeflippt. Dass am Ende keine Zugabe gespielt wird, ist zwar unschön – passt jedoch zum Abschluss einer gut durchplanten Show.
Aufgrund des Handy-Verbots habe ich zwar kein Foto machen können, aber ein Musikvideo darf natürlich trotzdem nicht fehlen. Und zwar gibt es einen der schmerzlich vermissen Songklassiker, in diesem Fall *Judith*. Einer der schönsten und zeitlosesten Songs, die ich kenne!