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Mehr, schnell, mehr: Ist schneller gleich besser?

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Heute dreht es sich mal um etwas, das nicht direkt mit Musik zu tun hat. Nämlich das (Arbeits-) Leben und das leidige Thema Produktivität.

Naja, wenn man unbedingt eine Verbindung ziehen möchte – ginge das natürlich schon. Aber um`s Songtempo o. ä. soll es hier nicht gehen. Ich muss einfach mal etwas niederschreiben, was mich schon seit Langem beschäftigt. Mit Schnelligkeit meine ich insbesondere das Tempo des Lebens – und zwar in vielfacher Hinsicht. Im täglichen Leben, also auf der Arbeit, unterwegs, einfach in allem, was man so tut. Dazu gehört Kaffee trinken, reden, essen, gehen… Nun, vor allem Letzteres stresst mich. Und ja, ich sehe mich eher nicht als „die Schnellste“ – und finde es aber vollkommen in Ordnung so.

Ein Problem damit haben jedoch oftmals meine Mitmenschen. Sei es derjenige, der hinter mir auf der Treppe läuft, und mir in die Hacken, da ich ihm offensichtlich zu langsam bin. Oder die Person, welche mir während eines Spaziergangs quasi davon läuft, weil ich nicht in dem Tempo laufe, in welchem man auch auf einen Zug rennen könnte. Ja, ich habe einen langsamen Gang – aber bin ich deswegen auch „schlechter“? Auf irgendeine Weise minderwertig? Weil ich andere aufhalte? Natürlich bin ich nicht weniger gut als andere. Ich bin ich! Mit meinem eigenen (Lebens-) Tempo.

Der Zwang zur Produktivität macht rücksichtslos

Für mich ist die tägliche Hetze nichts anderes als eine Krankheit unserer Zeit. Oder vielmehr ein Symptom dafür, dass etwas nicht stimmt.  Auch wenn ich grundsätzlich eher langsam durchs Leben gehe – ich muss dennoch meinen Alltag bewältigen, permanent umgeben von abgehetzten Menschen ohne Geduld. Was einher geht mit einer guten Portion Rücksichtslosigkeit. Das färbt auch auf mich oftmals ab. Aber es belastet mich, schon lange fühle ich ein gewisses Unbehagen, bis hin zur Erschöpfung. Der Hang zur Selbstoptimierung und Effizienzsteigerung macht mich müde und überfordert mich, wie man in diesem Beitrag nachlesen kann: Fear of missing out – gibt es das perfekte Leben?

Nun habe ich mir also meinen ersten Ratgeber zum Thema geholt: „Ganz einfach Zeit haben“, von Thomas Hohensee.

Ich muss gestehen, ich habe es noch nicht durchgelesen. Aber schon die ersten 30 Seiten haben mich gefesselt, da der Autor die Zeichen der Zeit erkannt hat. Wie der Titel schon sagt, geht es im Buch in erster Linie um den chronischen Zeitmangel, unter dem viele leiden. Was ja meine Intention war, diesen Schmöker zu kaufen. Auch mir läuft oftmals die Zeit davon…

Schnelligkeit versus Effizienz

Jedenfalls zitiert der Autor des Buches den bekannten Verhaltenspsychologen Richard Wiseman, welcher nachgewiesen hat, dass weltweit in allen Metropolen die Menschen heute schneller gehen als früher. Das ist für mich ein eindeutiges Indiz – die Menschen gehen schneller als „normal“. Viele halten es aber für normal, zügig zu gehen…

Ich muss mir immer wieder sagen, dass es okay ist, in einem langsameren Tempo durch die Welt zu gehen. Mit meinem entsprechend langsamen Orientierungssinn habe ich mich schon längst abgefunden… Hauptsache, ich komme von A nach B und wieder zurück! Als ich alleine in Los Angeles war, bin ich viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Anfangs habe ich mich ständig verfahren und habe teils doppelt so lange zurück zu meinem Domizil  gebraucht… Nun ja, lustig war`s allemal, und ich hab was von der Stadt gesehen!

Woran ich jedoch am meisten zu knabbern habe, ist die Tendenz zur Hetze in der Arbeitswelt: Schnelligkeit bzw. Effizienz wird nämlich mit Qualität gleich gesetzt oder nein, eigentlich als hochwertiger betrachtet.  Was absoluter Unsinn ist, so lange man keine Fliessband-Arbeit macht. Oder Marathon-Läufer ist…. Na ihr wisst sicher, worauf ich hinaus will. Nachgewiesenermassen und völlig logisch wird etwas gleich nicht besser, nur weil man es schneller macht. Die Qualität der Arbeit, und was noch schlimmer ist, die Psyche des Mitarbeiters, leiden. Dass man das alles noch bei einer 41 Stunden-Woche schaffen muss, macht es nicht grad besser.

Die 30-Stunden-Woche als Rettung?

Neuerdings erkennen vereinzelte Unternehmen plötzlich doch, wie sehr den Menschen die Zeit fürs Leben fehlt. Neben der Arbeit, aus der im Idealfall eben nicht das ganze Leben bestehen sollte. Eine österreichische Firma beispielsweise hat nun eine 30-Stunden-Woche eingeführt: Unternehmen führt 30-Stunden-Woche ein – bei vollem Lohn

Dem Inhaber wurde bewusst: Vielen ist heutzutage die Zeit ein kostbareres Gut als Geld. Gibt aber zu, dass es (noch?) nicht für alle Firmen umsetzbar ist. Klar, kommt auch auf die Branche an. Ich behaupte aber: Bei einem 08/15-Bürojob sollte das drin liegen. Meines Erachtens könnte damit die so oft geforderte Effizienz von Arbeitnehmern sogar noch gefördert werden. Nicht, weil man alles in kurzer Zeit schaffen MUSS – sondern viel mehr, weil man weiss, es lohnt sich! Und man den Rest des Tages auch ohne Hetze erledigen kann. Ebenso ein Faktor: Es ist erwiesen, dass die Effizienz mit einer gesteigerten Arbeitszeit nicht zwangsläufig höher ist. Da man sich irgendwann einfach nicht mehr vollkommen konzentrieren kann?

Sehr wahrscheinlich, wie so oft bei solchen Neuerungen, geht die gesamthafte Umsetzung eher zäh und langwierig vonstatten. Meine Hoffnung ist, dass wir eines Tages über die heutigen Verhältnisse nur noch die Köpfe schütteln. Oder kann sich jemand heute vorstellen, dass ein 10-Stunden-Tag und eine 6-Tage-Woche der Standard war? Eben.

Bis dahin schwimme ich halt wie gehabt im Kleinen gegen den Strom. Und behalte meine „Gemächlichkeit“ einfach bei. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Bianca geht eben langsam durch`s Leben – und das ist gut so.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Othmar

    Sehr guter Beitrag.
    Hoi Bianca, schön wieder mal von Dir zu lesen.
    Herzlichen Gruss
    Othmar

    1. BiancaB

      Danke für die Blumen 🙂

  2. Carole

    Hallo Bianca
    Da hast du mir aus dem Herz gesprochen. Und so ganz generell: schöner Blog!
    Liebe Grüsse
    Carole

    1. BiancaB

      Hallo liebe Carole, schön von Dir zu lesen! Das freut mich wirklich sehr, dass jemand genauso über das Thema denkt wie ich 🙂 Danke für das Kompliment, freut mich ebenso sehr!

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