Kolumne: „Was hörst du denn so?“ – Musikgeschmack und der Versuch einer Definition

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Das ist nämlich gar nicht so einfach zu beschreiben – auch wenn viele das
meinen. Man hört nicht einfach bloss Rock, Pop oder Schlager. Man kann sogar so einiges über den Charakter eines Menschen erfahren,
wenn man seinen Musikgeschmack kennt.

Neulich im Zug. In freudiger Hoffnung, nun den Stress des Alltags hinter mir lassen zu können, steige ich am frühen Nachmittag in einen leeren Waggon. Nach fünf Minuten ist er überfüllt. Nicht nur das: Am Eingang hat sich eine Gruppe Jugendlicher niedergelassen und diesen als spontane Party-Location auserkoren. Wie sich mittellose Schüler einen sauteuren Ghetto-Blaster-Dingens leisten können, ist ebenso eine interessante Frage, die ich hier aber nicht eruieren möchte.

Viel wichtiger ist die Erkenntnis: Die ungefragte Beschallung von Musik, die ich nicht mag, belästigt mich. Klar, dasselbe kann einem auch in einem Bekleidungsgeschäft widerfahren. Aber da kann ich wenigstens rauslaufen. Hier
war ich dem Ganzen ausgeliefert! Zudem dachte ich dann: Ich zwinge meinen Musikgeschmack ja auch niemandem auf! Obwohl auch ich gerne mal meine Mitmenschen mit meinem guten Taste in Music beeindrucken würde *räusper* 😉

Als mein Musikgeschmack geprägt wurde und ich langsam auf den rechten (Rock-) Weg kam, ist mir folgendes passiert: Ich hatte Soundgarden für mich entdeckt, genauer gesagt, „Black Hole Sun“. Da war ich 13 Jahre alt. In dem Alter ist man ja noch einigermassen unschuldig und enthusiastisch, also bin ich zur damaligen Freundin meines Bruders damit gerannt. Hab es ihr voll begeistert vorgespielt. Sie war jedoch weniger freudig und meinte: „Das ist nicht meine Musik.“ Und ich war verwirrt – da gibt es Unterschiede? Bis dato war ich  der Meinung, dass es da keine Grenzen gibt.  Grundsätzlich hab ich einfach das gehört, was ich mochte. Mir wurde nun aber bewusst, wie persönlich so ein Musikgeschmack eigentlich ist – und was er zum Beispiel auch über einen Menschen aussagen kann, wie konservativ oder aufgeschlossen er gegenüber dem Leben ist (um nur eine von vielen Eigenschaften zu nennen).

Musik = Religion?

Für mich verhält es sich mit Musikgeschmack wie mit Religion – für viele ist es gar eine Art Ersatzreligion. Für die einen mehr, für die anderen weniger. Erstere denken oftmals, Ihre Musik ist „die einzig wahre“ – das Beste, das Schönste, etc. Alles andere ist falsch. Die anderen setzen sich mit Musik gar nicht auseinander und hören beispielsweise nur  (Mainstream-) Radio (ganz schlimm, ganz schlimm…!).

Ich habe Mühe mit beiden Spezies. Denn beide sind auf ihre Art konservativ und nicht offen für Neues. Ich höre immer noch das, was ich mag! Was mir gefällt, und was mein Herz berührt. Klar, ich versuche auch andere für meine Musik zu begeistern (sieht man ja an diesem Blog 😉 ). Es wäre aber doch sehr vermessen, mich deswegen über andere zu stellen, als etwas Besseres oder so.

Aus dem Grund habe ich aber immer noch Mühe, „Gleichgesinnte“ mit derselben Haltung zu finden, die meinen Musikgeschmack teilen. Ich kenne vereinzelt Personen, welche meine Theorie bestätigen: Wir haben sehr viele Überschneidungen in Sachen Bands, welche wiederum sehr unterschiedlich sind. Von Rock bis Pop über Elektro ist alles dabei. So ganz habe ich noch nicht herausgefunden, was die Essenz ist, welche unseren Geschmack ausmacht und die uns vereint. Feststeht: Oftmals „ticken“ wir gleich, haben ähnliche Charaktere, dieselbe Haltung zum Leben, zu Menschen. Echt krass.

Zum Abschluss möchte ich euch gerne auf einen Interview-Auszug von Steven Wilson verweisen:

Steven Wilson Interview

Auch wenn er es nicht direkt sagt, thematisiert er die konservative Haltung von vielen: Eben dass jeder meint, sein Geschmack wäre allgemeingültig, und der einzig richtige. Die wenigsten sagen: meiner Meinung nach, ich finde das eben besser, etc. Sie präsentieren es als unumkehrbaren Fakt – das ist schlecht, gut, was auch immer. Dabei hängt es ganz allein von deinem persönlichen Empfinden ab. Es ist gar nicht möglich, dass es verschiedene „Wahrheiten“ gibt – weder bei Musik, noch bei Religion.

Zurück zum Party-Mob im Zug. Was mir geholfen hat? Der Gedanke daran, zu Hause richtig gute Musik zu hören. Nämlich 😉

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